FAQ
Bankenpleite in den USA Wie gefährlich ist der SVB-Kollaps?
Stand: 13.03.2023 15:19 Uhr
Der Zusammenbruch der US-amerikanischen Silicon Valley Bank sorgt weltweit für Unruhe, in der Finanzbranche grassiert die Angst vor einem Dominoeffekt. Die wichtigsten Antworten auf aktuelle Fragen.
Es handelt sich um den größten Bankenkollaps seit der Finanzkrise von 2008: In den USA ist die Silicon Valley Bank (SVB) zusammengebrochen. Zudem wird auch die New Yorker Signature Bank abgewickelt.
Warum ist die SVB in Schieflage geraten?
Die Silicon Valley Bank gehörte zu den wichtigsten Geldhäusern für Start-up-Finanzierungen in den USA. Die Start-ups hatten in den vergangenen Jahren hohe Einlagen bei der Bank geparkt, mussten diese nun jedoch angesichts der steigenden Zinsen in den USA schneller auflösen als gedacht.
Um Kunden weiterhin mit Geld versorgen zu können, wollte die Bank liquide Mittel über eine Notkapitalerhöhung einsammeln. Doch der Versuch, über die Ausgabe neuer Aktien frisches Geld bei Investoren einzusammeln, sorgte für weitere Verunsicherung. Allein am Donnerstag brach die SVB-Aktie an der Wall Street um gut 60 Prozent ein und verbuchte damit an der Wall Street einen Rekord-Tagesverlust. Nach einem Kursrutsch wurden die Papiere am Freitag vom Handel ausgesetzt, und die Bank wurde unter staatliche Kontrolle gestellt.
Warum wurde auch die Signature Bank geschlossen?
Am Sonntag wurde von den US-Behörden außerdem die New Yorker Signature Bank geschlossen. Die Bank war das einzig verbleibende Geldhaus mit großen Krypto-Geschäft, nachdem in der vergangenen Woche Silvergate Capital pleite ging, da sie Miner, Kryptobörsen und andere Firmen aus der Branche zu ihren Kunden zählte.
Wie reagiert die US-Regierung?
US-Präsident Joe Biden reagierte heute in einer Stellungnahme auf die Pleite der SVB. Er kündigte etwa strengere Vorschriften bei der Bankenregulierung an. Man werde tun, was immer jetzt notwendig sei, sagte Biden - und erinnerte damit an die legendäre Aussage des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi zur Rettung des Euro ("Whatever it takes").
Finanzministerin Janet Yellen, Notenbankchef Jerome Powell und die US-Einlagensicherung FDIC gaben am Sonntagabend in einer gemeinsamen Stellungnahme bekannt, dass der Steuerzahler "keine Verluste im Zusammenhang mit der Abwicklung der Silicon Valley Bank tragen" müsse.
Was tut die Fed?
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) stellte bereits gestern ein neues Programm vor, um die Banken zu stützen: Das "Bank Term Funding Program" stelle zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung. Bis zu 25 Milliarden Dollar aus dem Währungsstabilisierungsfonds des Finanzministeriums werden das Kreditprogramm der Fed absichern.
Ein Schlüsselelement des Programms ist, dass die Notenbank den Banken Kredite gegen akzeptable Sicherheiten gewährt. US-Staatsanleihen und hypothekenbesicherte Wertpapiere werden dabei zum Nennwert bewertet: Das heißt, dass der Wert der einst von einer Geschäftsbank gekauften Papiere nicht durch die Serie der Zinserhöhungen der Fed beeinträchtigt wird.
Die Banken können über das BTFP Kredite mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr beziehen. Sie können die Darlehen ohne Mehrkosten im Voraus zurückzahlen. Vorschüsse sind bis zum 11. März 2024 möglich.
Was passiert mit den Spareinlagen?
Der Einlagensicherungsfonds der USA, FDIC, hat alle Einlagen der zusammengebrochenen SVB auf eine neu gegründete Brückenbank übertragen. Zum Vorstandschef des Instituts wurde der Bankmanager Tim Mayopoulos berufen, wie die FDIC mitteilte. Zudem hat der Vorstand der SVB ein fünfköpfiges Gremium für die Umstrukturierung des Instituts ernannt. Der unabhängige Ausschuss soll nach strategischen Alternativen für die SVB Holding suchen, teilte die SVB Finanzgruppe mit.
Die US-Regierung hatte im Vorfeld zugesichert, dass sämtliche Einlagen geschützt werden sollen. Die Kunden sollen auf ihr gesamtes Geld zugreifen können.
Wie gefährlich ist die aktuelle Krise?
Der Internationale Währungsfonds (IWF) teilte mit, man beobachte die möglichen Auswirkungen der Pleite der Silicon Valley Bank auf die Finanzstabilität. "Wir haben volles Vertrauen, dass die Entscheidungsträger in den USA angemessene Maßnahmen ergreifen, um die Situation in den Griff zu bekommen", sagte ein IWF-Sprecher.
Bislang gibt es allerdings keine Anzeichen, dass sich die Krise ausweiten könnte: "Die SVB gefährdet nicht den internationalen Kapitalmarkt. Ihr Klumpenrisiko aus der Start-Up-Finanzierung ist untypisch für den Bankensektor", sagte der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, Wolfgang Gerke.
Wie groß ist das Risiko für europäische Banken?
In Frankreich sieht man die Krise gelassen - der Zusammenbruch stellt nach Einschätzung des französischen Finanzministers Bruno Le Maire kein Risiko für das französische Bankensystem dar. "Wir beobachten die Situation in den USA, aber es gibt keinen spezifischen Alarm für das französische Bankensystem, das solide ist", sagte Le Maire dem Radiosender Franceinfo.
In Großbritannien wird die Tochter der SVB von der Großbank HSBC für ein Pfund übernommen. Damit wird die britische Start-up-Szene beruhigt. Die britische Notenbank unterstützte die Übernahme und versicherte den Kunden, dass sie Zugang zu ihren Einlagen und den üblichen Bank-Dienstleistungen haben. Das breitere Bankensystem bleibe sicher, gesund und gut kapitalisiert, teilte die Bank of England mit. "Keine weiteren britischen Banken sind direkt materiell von diesen Schritten oder von der Lösung betroffen."
Auch in der Schweiz schlägt die Krise hohe Wellen: Der Preis für die Absicherungen gegen Zahlungsausfälle bei Credit-Suisse-Anleihen ist am Montag auf einen Rekordstand geklettert. Fünfjährige Kreditausfallversicherungen für Schuldpapiere der Großbank stiegen auf 451 Basispunkte, wie Daten von S&P Market Intelligence zeigten. Das bedeutet, dass ein Anleger 451.000 Euro bezahlen muss, um Anleihen im Volumen von zehn Millionen Euro zu versichern. Im Gegenzug sackten die Credit-Suisse-Aktien im Morgenhandel auf ein Rekordtief von 2,115 Franken ab.
Wie reagiert man in Deutschland?
Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) hält die Folgen der Pleite für die hiesigen Geldhäuser für eng begrenzt. "Die deutschen Banken sind robust, stabil und widerstandsfähig", so der BdB: "Auch die deutsche Einlagensicherung ist nicht gefragt."
Seit dem 30. Mai 2018 hat die SVB auch eine Niederlassung in Deutschland. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am Vormittag ein Moratorium über die SVB Germany angeordnet, "aufgrund der bestehenden Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber Gläubigern". Das bedeutet, die Bank wird für den Kundenverkehr geschlossen. Die BaFin betonte aber auch, die SVB Germany habe keine systemische Relevanz.
Hierzulande berät außerdem der Finanzkrisenstab der Bundesbank über etwaige Auswirkungen des Kollaps. Das Gremium komme heute zusammen, um die Situation zu analysieren und die möglichen Folgen für die deutsche Finanzbranche und die Finanzmärkte zu erörtern, sagte ein Bundesbank-Sprecher. Die EZB-Bankenaufsicht plant einem Insider zufolge dagegen kein Notfall-Treffen ihres Aufsichtsgremiums (SSB).
Was bedeutet das für deutsche Startups?
Die Auswirkungen der SVB für deutsche Startups lassen sich bislang nicht abschätzen. Christoph Stresing, Geschäftsführer des Branchenverbandes, äußerte sich dennoch vorsichtig optimistisch, dass heimische Firmen mit einem blauen Auge davonkämen.
So rechnet etwa der deutsche Lufttaxi-Entwickler Lilium Air Mobility nicht mit Konsequenzen für das Geschäft. "Lilium rechnet mit keinen materiellen Auswirkungen auf den Betrieb oder auf die Liquidität," teilt eine Sprecherin mit. Remo Gerber, Ex-Chief Operating Officer bei Lilium, hofft, dass eine Krise im Tech-Sektor vermieden wird.
Könnte sich die Krise auf die Geldpolitik auswirken?
Volkswirte rechnen damit, dass die aktuellen Pleiten auf die US-Zinspolitik ausstrahlen könnten. "Die straffen Zinserhöhungen der Fed haben offenbar zu Stress in den US-Bankbilanzen geführt", heißt es in einer Analyse der Commerzbank-Ökonomen Bernd Weidensteiner und Christoph Balz: "Die offenkundigen Probleme einiger US-Banken setzen auch ein Fragezeichen hinter die für den 21./22. März anstehende Fed-Sitzung."
Statt der bislang erwarteten Anhebung des Leitzinses um einen halben Prozentpunkt könnte die Notenbank Fed stattdessen nur um einen viertel Punkt nach oben gehen, "um nicht noch mehr Probleme im Bankenwesen hervorzurufen", so die Ökonomen. "Die Entwicklung der nächsten Tage dürfte weiteren Aufschluss erlauben."
Was passiert an den Börsen?
Die Sorgen um das US-Banksystem machen auch die Anleger in Deutschland nervös. Der deutsche Leitindex notierte bereits in den ersten Handelsminuten rund ein Prozent im Minus bei 15.257 Punkten, am Nachmittag büßte er mehr als drei Prozent auf 14.931,68 Zähler ein.
Auch der EuroStoxx 50 fiel auf das tiefste Niveau seit neun Wochen zurück. Er brach in den ersten anderthalb Stunden des Handels um über 3 Prozent ein auf 4090 Punkte. Der europäische Bankaktien-Index bröckelte zeitweise sogar um 4,7 Prozent ab, der Index der Finanzdienstleistungsunternehmen verlor 3,3 Prozent.
Auch an den US-Börsen schauen die Anleger besorgt auf die Entwicklung: Der Dow Jones und der technologielastige Nasdaq starteten die Woche mit einem Minus, drehten jedoch kurz nach Handelsstart ins Plus.
Author: Ryan Paul
Last Updated: 1702516321
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