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Digital Health Global Good from Germany


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    Herr Böhme, wie genau funktioniert Ihr System?

    Jan Böhme: Es fängt normalerweise damit an, dass bei einer koordinierenden Stelle – etwa einem Gesundheitsamt – ein Hinweis eingeht. Ein positives Testergebnis zum Beispiel. In SORMAS wird dann ein sogenannter Fall angelegt, also ein bestätigter oder ein unbestätigter Verdacht auf eine entsprechende Erkrankung. Dort können verschiedene Informationen erfasst werden: um welche Krankheit es sich handelt; wo der Fall aufgetreten ist; wo sich die Person aktuell befindet und Ähnliches. Nun können wir diesem Fall über das System verschiedene Aufgaben zuweisen, die direkt an entsprechende Teams gehen. Dann prüft zum Beispiel jemand vor Ort, ob es sich wirklich um die Krankheit handelt und ob es Kontakt zu anderen Personen gab. Kontaktpersonen werden dann ebenfalls in SORMAS erfasst. So lassen sich Infektionsketten nachvollziehen. Und auch alle weiterführenden Maßnahmen, wie zum Beispiel solche zur Isolation werden in SORMAS abgebildet, koordiniert und anschließend auch statistisch auswertet.

    Frau Hernandez, Sie sind Expertin im Bereich Public Health. Welche Vorteile bietet Ihr System gegenüber bisheriger Herangehensweisen?

    Pilar Hernandez: Es ist wichtig, zu verstehen, dass SORMAS viel mehr als nur eine Webseite oder eine App ist. Es ist eine Plattform, die alle an der Ausbruchfrüherkennung und an der Bekämpfung von Pandemien beteiligten Personen verbindet. Nicht nur das Personal der Gesundheitsämter, auch die Mitarbeiter in den Flughäfen arbeiten, in Krankenhäusern, in Laboratorien – sie alle dürfen ihre Informationen eingeben. In SORMAS werden die Daten gesammelt und ausgetauscht. Und das ist einzigartig. Man kann die Information nicht nur vertikal verteilen – also zum Beispiel von der Kommune zum Gesundheitsministerium – sondern in verschiedene Richtungen. Auf der Plattform stehen die Informationen immer in Echtzeit zur Verfügung. Dadurch kann man sehr schnell reagieren. Man kann natürlich auch andere Tools benutzen, die nur lediglich Informationen sammeln. Das nennt man Data Warehouse. Die speichern zum Beispiel die Anzahl der Leute, die erkrankt oder geimpft sind. Aber diese Tools erlauben in der Regel kein Management und keine Analyse der Informationen. Es wird einfach nur gesammelt aber nicht analysiert und dadurch kann man keine Entscheidungen treffen.“

    Was verbindet Sie beide mit den Themen übertragbare Krankheiten und Epidemien auf der einen Seite und digitale Systeme auf der anderen?

    Jan Böhme: Ich bin seit Beginn meiner beruflichen Laufbahn Informatiker und war schon immer in der Softwareentwicklung unterwegs. Die konkrete Brücke zu SORMAS wurde bei mir geschlagen, als ich in einem Gesundheitsamt als Anwendungsbetreuer gearbeitet habe. Das war zu Beginn der Covid-19-Pandemie und in ich habe da die Einführung von SORMAS begleitet. Da habe ich zum ersten Mal hautnah erlebt, wie viel Mehrwert das System bringt. Ich hatte gleich das Gefühl, dass in SORMAS extrem viel Potenzial liegt. Und weil ich gerne Teil davon sein würde, dieses Potenzial in Zukunft noch zu vergrößern, bin ich dann zum Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung gewechselt.“

    Pilar Hernandez: Ich bin aus einer anderen Richtung zu SORMAS gekommen. Ich bin auf Infektionskrankheiten spezialisiert und habe in diesem Bereich auch promoviert - aber vor allem in internationalen Kontexten. Bevor ich zur SORMAS Foundation gekommen bin, war ich in verschiedenen Ländern unterwegs. Vor allem in Afrika. Ich war zwei Jahre in Nigeria. Da war ich Teamleiterin eines Projektes, das sich um Pandemieprävention gekümmert hat. Und das wurde von der GIZ [Anm. d. Red. Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit] finanziert. Eine der Komponenten in diesem war SORMAS. So bin ich damit in Kontakt gekommen. Und da Infektionskrankheiten ja mein Thema sind, hat mich das natürlich interessiert. Als das Projekt in Nigeria dann zu Ende war, habe ich mich entschieden, im SORMAS-Team zu arbeiten.“

    Aus dem HZI-Projekt ist nun die Foundation entstanden. Warum haben Sie sich für eine Stiftung entschieden, um SORMAS voranzubringen?

    Jan Böhme: Wir haben uns mit allen Beteiligten Gedanken gemacht, welche Struktur in Zukunft die Richtige für SORMAS ist. Dass es eine Stiftung wird, war eine aktive Entscheidung. Denn für den langfristigen Erfolg von SORMAS als Digital Health Global Good ist es sehr relevant, zu vermeiden, dass wir in irgendeiner Form monetären Interessen unterliegen. Deshalb haben wir uns für ein Non-Profit entschieden. In unserem Fall eben eine Stiftung.“

    Pilar Hernandez: Dazu muss man wissen, dass es verschiedene Digital Health Global Goods gibt. Eine Kategorie davon ist die Software. Und da handelt es sich in den meisten Fällen um Open Source Software. Das bedeutet, die Software gehört keiner Firma. Und jeder kann zu ihrer Weiterentwicklung beitragen. SORMAS macht hier keine Ausnahme. Und viele der Open Source Projekte wie der Internetbrowser Firefox werden von einer Foundation unterstützt. Wie die Mozilla Foundation bei Firefox oder die Wikimedia Foundation bei Wikipedia. Davon haben wir uns inspirieren lassen.

    Frau Hernandez, Sie haben zwei Jahre in Nigeria gearbeitet. Wie geht man dort mit Infektionskrankheiten und Epidemien um - vielleicht im Vergleich zu Deutschland?

    Pilar Hernandez: Nigeria ist ein extrem gutes Beispiel. Denn dort ist SORMAS das nationale System, das für die epidemiologische Überwachung und für die Bekämpfung von Epidemien und Pandemien benutzt wird. Das hat man auch während der Covid-Pandemie gesehen. Da waren sie mit dem System dort sehr viel besser ausgestattet als zum Beispiel Deutschland. Natürlich sind Länder wie Nigeria viel mehr auf Ausbrüche sensibilisiert. Denn da treten immer wieder Krankheiten auf. Und zwar nicht nur solche, die wir hier kennen, sondern eben auch Ebola. Man ist sich dort bewusst, dass es auch zu katastrophalen Ausbrüchen kommen kann. Deshalb sind die Leute da viel proaktiver. Um besser vorbereitet zu sein hat sich das Nigeria Center for Disease Control schon 2016 mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Verbindung gesetzt. Gemeinsam wurde dann SORMAS entwickelt. Durch Covid ist nun auch in Deutschland das Thema Epidemie und Pandemie ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt.

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    Author: Matthew Johns

    Last Updated: 1703147162

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